Presseartikel 2011
Der Meister denkt nicht an Ruhestand
Für seine meisterliche Arbeit im Handwerk erhielt der Seniorchef der Puttkammer Fleischwaren Spezialitäten GmbH, Günter Puttkammer, gestern von der Handwerkskammer Schwerin die Ehrenurkunde für 60 Jahre aktiven Dienst. „Ein stolzes, schönes und seltenes Ereignis“, sagt Manfred Marschand von der Handwerkskammer. Dieser Tag sei Beweis dafür, dass das Unternehmen und damit auch der Chef mit „Wissen und Können immer auf der Höhe der Zeit sind“. Ein Engagement, das die Qualitätsarbeit des Vorzeigebetriebes über die Grenzen von MV bekannt machte, betont Marschand.
Und die Puttkammers, die werden weiter machen, versicherte der 81-Jährige. Er selbst reise dreimal in der Woche von seinem Wohnsitz in Hamburg nach Gadebusch. Das Qualitätsmanagement und die Produktentwicklung sei sein Aufgabenfeld an der Seite von Geschäftsführer und Sohn Lars Puttkammer. Nicht anders könne er sich sein Leben vorstellen, denn Ruhestand sei für ihn keine wirkliche Erfüllung. „In jedem Fall möchte ich bis zum 85. aktiv mitwirken“, sagt Günter Puttkammer.
Ein Signal, wie es Fleischerinnungsgeschäftsführer Torsten Gebhard gestern kaum anders erwartet hat. Der Innungschef gibt sogleich eine Anekdote zum Besten, die von einem Familiengeschenk in Form einer vierwöchigen Seereise und einem eher unruhigen Zeitgenossen handelt. Der 81-Jährige schmunzelt und winkt ab: „Ich war in meinem Leben noch nie solch eine lange Zeit aus der Fleischerei weg. Das kommt mir nicht wieder vor.“ Vor Ort zu sein und im Familienbetrieb mit den rund 80 Angestellten nach dem Rechten zu schauen, das sei seine Lebensaufgabe.
Eine Einstellung, mit der Günter Puttkammer ganz in der Tradition seiner Vorfahren steht. Bis ins Jahr 1835 lässt sich das Wirken der Puttkammers als Fleischer zurückverfolgen. Sein Vater fungierte als Obermeister der Mark Brandenburg. Als der von Günter Puttkammer den Berufswunsch Chirurg erfährt, drückt der ihm kurzerhand ein Metzgermesser in die Hand. Richtungweisend, wie sich herausstellte. Günter Puttkammer nutzt die Chance – schließlich handelte es sich um einen „artverwandten“ Beruf.
Nach dem Krieg gehört er zu ersten Meisterschülern und legte 1951 seine Prüfung in Wittenberge/Prignitz ab. „Damals waren nicht ausreichend Urkunden vorhanden. Folglich erhielt ich den Meisterbrief eines Schusters. Nach kurzer handschriftlicher Korrektur erfolgte die Übergabe der Urkunden“, so Puttkammer. Zwölf Monate später flüchtet er aus der DDR nach Hamburg. Arbeitete dort und in Koblenz als Geselle, bevor er eine Anstellung als Betriebsleiter in Essen annimmt. Stationen in Borgholzhausen folgten, ein Studium der Betriebswirtschaft und die Mitarbeit bei der Kulmbacher Fleischerforschung. Seiner Frau zu liebe schlug er ein lukratives Jobangebot in den USA aus, nahm ein Angebot als Geschäftsführer in Hamburg an, leitete diesen Fleischerbetrieb erfolgreich, um letztendlich in seinem Hamburger Hinterhofgeschäft nur das zu machen, was er für richtig hielt. „Das war im Jahr 1964. Als erstes Produkt brachten wir den Hamburger Ochsen-Maul-Salat heraus. Mit mageren Fleisch aus den Backen vom Rind“, so Puttkammer. Sauerfleisch und Wurst rundeten den Auftritt ab. Der Neustart glückte. 1967 erhielt der Fleischermeister für seinen Prager Schinken die Urkunde der DLG. „Dann ging es richtig los“, erinnert sich der Seniorchef. Dank Mundpropaganda und Werbung gaben sich die Geschäftsführer der Handelsketten die Klinken im Hamburger Geschäft in die Hand. Lieferverträge wurden geschlossen. Das Unternehmen wuchs.
Im Kreis der Großstadt wurde es zu eng. Mit der politischen Wende boten sich neue Möglichkeiten. Günter Puttkammer liebäugelte mit seiner Geburtsstadt Wittenberge. „Dann erhielt ich Nachricht aus Gadebusch“, so der Meister und kaufte die ehemalige Konsum fleischerei. Sein Bruder in Amerika erklärte ihn damals „als verrückt“. Heute liest er jeden Tag im Internet, was es Neues aus Gadebusch und den Puttkammers gibt. An Nachrichten wird es kaum mangeln. Puttkammer betont, dass er bis zum 85. weiter machen wolle. Sein Ziel hat er vor Augen: Der Bundespreis für Ernährung. Den gibt es mit ein wenig Glück nach 15 Top-Platzierungen in Folge. Somit freut sich der geehrte Handwerksmeister auf weitere vier spannende Jahre im Familienbetrieb.
Freude bei Günter Puttkammer (r.) über die Auszeichnung, die Manfred Marschand (M.) und Torsten Gebhard überbrachten. volker bohlmann / SVZ