Presseartikel 2007
Investition mit Biss
Er hat „rüber gemacht“: Günter Puttkammer. Das war Anfang der 1950er-Jahre. Er verließ damals als Wittenberges jüngster Fleischermeister (21) die DDR und musste sich im „Westen“ hoch arbeiten. Heute im Alter von 77 Jahren ist Günter Puttkammer Seniorchef der gleichnamigen Fleischwaren-Spezialitäten GmbH in Gadebusch. Und er denkt noch lange nicht an den Ruhestand.
GADEBUSCH – In dem Alter genießen andere den wohlverdienten Lebensabend. Nicht Günter Puttkammer, er mischt im Gadebuscher Unternehmen weiter kräftig mit und will nach eigenen Angaben dem Juniorchef Lars Puttkammer noch ein paar Jahre „auf den Wecker gehen“. Denn er hat als Unternehmer noch ein ehrgeiziges Ziel: Er möchte einen Bundespreis erringen, für 15-jährige kontinuierliche Spitzenqualität. In fünf Jahren wäre das möglich. Günter Puttkammer wäre dann 82 Jahre. „Was soll´s. Das hier ist eben mein Leben“, sagt er und geht durch die Produktionshalle. Tonnenweise Wurstwaren werden hier täglich hergestellt.
Daran war 1964 nicht zu denken. Im Alter von 34 Jahren machte sich Günter Puttkammer in Hamburg selbstständig: „Das war in einer drei mal fünf Meter kleinen Klitsche. Meine Frau half damals kräftig mit und ich fuhr die Ware mit einem alten Volkswagen aus. Mein Vorgänger benutzte noch die Straßenbahn.“
Heute werden Puttkammers Produkte mit Lastwagen in das In- und Ausland transportiert. Wer als Kunde Gadebuscher Produkte kaufen will, muss auf den Verpackungen auf den Code „EV1003“ achten. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die Puttkammer Fleischwaren Spezialitäten GmbH.
Damit Spezialitäten aus Gadebusch auch weiterhin in aller Munde sein können, investiert das Unternehmen derzeit 5,5Millionen Euro in eine neue Produktionshalle. In dem Neubau wird künftig die komplette Aspiklinie produziert. Außerdem sollen hochmoderne Spezialmaschinen die Waren in Scheiben für handliche SB-Packungen schneiden. Damit will Puttkammer dem Trend zu Selbstbedienungsprodukten gerecht werden.
Was sich derzeit am Standort in der Industriestraße in Sachen Expansion tut, stößt auch in Los Angeles auf Interesse. Denn dort lebt ein gewisser Klaus Puttkammer, Bruder des Seniorchefs. Dieser hätte Anfang der 1990er fast verhindert, dass die Puttkammers sich am Standort Gadebusch ansiedelten. „Als er das potenzielle Firmenareal sah, meinte er: Günter, du bist verrückt. Heute ist er begeistert und verfolgt via Internet, wie es mit dem Erweiterungsbau voran geht“, sagt Günter Puttkammer und schmunzelt. Dann fügt er hinzu: Vom Standort Gadebusch aus waren einst DDR-Grenzer von der Ostsee bis nach Boizenburg mit Lebensmitteln versorgt worden. Nach dem Mauerfall und der Firmeneröffnung 1993 wurden manchmal bis zu 3000 Liter Eintopf und Würstchen an Bundesgrenzschützer geliefert – Ironie der Geschichte.
Tausende Schinkenröllchen werden täglich in Gadebusch produziert.
Im Bild: Heidi Horstmann und Bärbel Riedel.